Das Pferd – ein besonderes Tier

Das Pferd ist für Menschen unterschiedlichster Kulturen seit Jahrtausenden Inbegriff von Stärke und natürlicher Kraft. Es taucht als Begleitung oder Verkörperung von Göttern an vielen Stellen der Menschheitsgeschichte auf. In bestimmten Erscheinungsformen galten Pferde als heilig und die Verbindung zu ihnen wurde als Weg gesehen, die verloren gegangene Einheit mit den Kräften der Natur neu zu erlangen.

Das Pferd als heiliges Wesen und Begleiter von Göttern

Tacitus (römischer Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert nach Chr.) berichtet beispielsweise, dass bei den damals in Mitteleuropa lebenden Stämmen, aus dem Schnauben von weißen Pferden, die extra in den heiligen Hainen gehalten wurden, Orakel abgeleitet wurden. Der Geist von Pferden hat auch in anderen schamanisch geprägten Kulturen, z.B. in Sibirien, eine besondere Stellung. Mit dem Geisterpferd wechselte der Schamane zwischen den Welten der Toten, der Götter und der Menschen. Schon damals wurde in Pferden eine Möglichkeit gesehen, eine andere Welt zu betreten und dadurch neue Perspektiven und Erkenntnisse zu gewinnen.

Tiere als Medizin

Götter, Schamamen oder Medizinleute wurden in vielen unterschiedlichen Kulturen, quer über die ganze Erde, oft als eine Art Mischwesen aus Mensch und Tier dargestellt. Auch im echten Leben kleideten sich Schamanen oder Priester wohl in Tiermasken oder Felle, um ihre Verbindung zur Naturwelt (und deren Macht) zu unterstreichen. Die „Ausbildung“ von Schamanen bestand oft darin, dass sie lange Zeit allein mit der Natur waren und von Tieren „ausgebildet“ wurden. Laut vielen Quellen war es dann ihre Aufgabe, „unheile“ Menschen auf der Suche nach ihren vergessenen oder verlorenen Seelenanteilen (das „wahre Selbst“) in die andere Welt (Naturwelt) zu begleiten, um dort wieder „heil“ (ganz) zu werden. Dabei wurden sie laut Überlieferungen von Tieren (oder Tiergeistern) begleitet und unterstützt.

Pferde als Schutz

Pferdeköpfige Schnitzereien an Hausgiebeln in Norddeutschland gehen angeblich auf die Tradition zurück, dass früher echte Pferdeköpfe als Schutz neben den Häusern aufgestellt wurden. Warum kamen die Menschen auf die Idee, dass ausgerechnet Pferde (nicht etwa ein Raubtier) eine solche Schutzfunktion haben könnten? Pferde scheinen auf Menschen also schon damals eine besondere Kraft ausgestrahlt zu haben.

Pferde „machen“ Helden (aus)

Mythen, wie die der Zentauren – Mischwesen aus Pferd und Mensch- zeugen noch heute von dieser besonderen Kraft, die gerade in der Verbindung von Pferd und Mensch gesehen wurde. Der Zentaur Chiron hat laut griechischer Mythologie nicht nur die Heilkunde (Heilung = Ganzwerdung= Getrenntes wieder zusammenfügen) zu den Menschen gebracht. Er hat auch dem griechischen Arzt Asklepios das Wissen über Heilkunde vermittelt. Noch heute gilt Asklepios als ein Begründer der Medizin. Chiron war auch der Ausbilder von mythischen Helden wie Jason, Achilles und Odysseus und gab sein Leben für die Befreiung des Prometeus. Oft stehen solche mythischen Helden sinnbildlich für das (Wieder-)Finden, die Verteidigung oder den Schutz von besonderen Werten. Das äußert sich in klassischen Handlungssträngen für solche Heldengeschichten, wie beispielsweise das „Finden von Schätzen“ oder das „Töten von Ungeheuern“. Dies kann sinnbildlich auch die innere Reise zu sich selbst symbolisieren, den auch dort gibt es Ungeheuer, denen man sich stellen muss und Schätze, die man heben kann.

Pferde haben in der Menschheitsgeschichte oft auch ganz real „Helden gemacht“, indem sie Menschen auf ihre Rücken gelassen und ihnen auf diese Art ihre Kraft zur Verfügung gestellt haben. So spielen in „Heldengeschichten“ oft auch die Pferde eine ganz eigene Rolle. So sagt beispielsweise die Überlieferung, wie Alexander der Große sein Pferd Bukephalos „zähmte“ – indem er es verstand!

Nur gegenseitiger Respekt schafft eine gemeinsame Kraft

Im Werk von Xenophon (griechischer Philosoph und Schriftsteller) „Über die Reitkunst“, welches ca. 365 v. Chr. niedergeschrieben wurde, wird immer wieder betont, dass das Verständnis der Natur des Pferdes („Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht Sklave!“) und seine Achtung („Sei achtsam und nimm auf seine Bedürfnisse Rücksicht!“) von zentraler Bedeutung sind. Welche ungeheure Wertschätzung hinter diesen Aussagen steht, in einer Zeit, da die Nutzung von menschlichen Sklaven alltägliche und gesellschaftlich akzeptierte Normalität war, kann man heute wohl kaum noch erahnen.
 Tatsächlich kann man die „Pferdenutzung“ durch den Menschen nicht allein mit Zwang und Unterwerfung erklären, da andere, potenziell auch reitbare Tierarten, dies nicht mit sich machen ließen. Indem Pferde den Menschen ihre schnellen Beine und ihre natürlichen Instinkte zur Verfügung gestellt haben, haben sie ihnen eine Macht und Freiheit geschenkt, die Menschen leider oft nicht weise genutzt haben.

Die Ausstrahlung von Kraft und Macht

So mancher Herrscher ließ sich vor Jahrhunderten zusammen mit seinem Pferd begraben und über Jahrtausende ließen sich viele hohe Persönlichkeiten zusammen mit einem Pferd in der Kunst verewigen. Die Interpretation, dass Pferde damals einfach ein wichtiges und prestigeträchtiges Transportmittel waren, greift dabei zu kurz. Niemand mit Verstand würde sich heutzutage in einer Statue mit Auto verewigen lassen oder sich mit einem Auto ein Grab teilen wollen. Ein Auto kann man sich einfach kaufen, egal wie dumm und unfähig man ist. Bei einem Pferd ist es etwas anderes.
 Ein selbstbewusstes Pferd als Freund an seiner Seite zu haben, kann kein König, Staatsoberhaupt oder Topmanager mit keinem Geld der Welt erkaufen und mit keiner Macht erzwingen. Man muss es sich erarbeiten – können! Denn Pferde sind nicht käuflich wie ein Auto, sondern zeigen gnadenlos die Wahrheit! Im Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd wird ein kundiger Beobachter immer die inneren Werte und Fähigkeiten eines Menschen erkennen können.
 Wie kein anderes Wesen repräsentiert das Pferd so die zwei Extreme im Verhältnis des Menschen zur Natur. Es steht dafür, dem Mensch die ursprüngliche freie Kraft der Natur zugänglich zu machen, aber wie die Natur selbst wurde es auch oft brutal versklavt und in den Diensten von Menschen missbraucht und ausgebeutet.

Das Pferd als starke Unterstützung im Coaching

Das Pferd kennt die Seelen von Menschen aus einer Jahrtausende alten gemeinsamen Geschichte. Das ist vielleicht der Grund, warum es – im Gegensatz zu vielen anderen freien Tieren – dazu in der Lage ist, angstfrei in die Seelen von Menschen zu blicken, auch wenn dieses Leid und emotional unangenehme Lasten mit sich tragen. Und es ist bereit, mit uns zu kommunizieren und uns sogar zu tragen. Uns dabei immer wieder vor Augen zu führen, was es ist, was uns fehlt und wie wir es wiederfinden können.
 Pferde haben (im Gegensatz zu vielen Menschen) die Kraft, trotz ihrer „Domestiziertheit“ immer so verbunden mit ihrer ursprünglichen Natur zu bleiben, dass sie selbstständig in der Natur überleben können und wieder zu freien Wildpferden werden können, wenn sie die Obhut von Menschen verlassen.

Pferde können Menschen so helfen, die Verbindung zu unserer ursprünglichen Natur und zum verlorenen Teil von uns selbst wiederzuentdecken. Sie können eine große Unterstützung dabei sein, die Verbindung mit unserem authentischen „wahren Selbst“ wieder aufzunehmen. So können sie uns auch heute noch helfen, Kraft zu finden, für den Schutz und die Verteidigung „besonderer Werte“ und uns einen Weg zeigen, einen „innere Schatz“ wiederzufinden.